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NBA-Playoffs Vorschau: Embiid will Erfolgslauf fortsetzen – Brooklyn endlich gefestigt

Micha Pesseg
Aktualisiert
Joel Embiid ist bester Scorer im Grunddurchgang
Joel Embiid ist bester Scorer im GrunddurchgangAFP
MVP-Kandidat Joel Embiid konnte in der Vergangenheit in den Playoffs nie seine Bestleistung abrufen. In der besten Saison seiner Karriere will er auch diesen Nimbus abstreifen. Erste Hürde für die Philadelphia 76ers sind die Brooklyn Nets. Ein Team, welches sich von den Strapazen rund um Durant und Irving gut erholt hat. Das erste Spiel findet am Samstag um 19 Uhr (MEZ) im Wells Fargo Center in Philadelphia statt.

Im Winter waren die Brooklyn Nets noch ein anderes Team als sie es im April 2023 sind, kurz vor Beginn der Playoffs. Zwischen Dezember und Januar gelang eine 12 Spiele andauernde Siegesserie. Kyrie Irving und Kevin Durant führten damals regelmäßig die Punkteliste an. Neben den Celtics galt man als formstärkste Mannschaft der Liga.

Ein Aufwärtstrend war erkennbar. Die vorangegangene Saison 21/22 war nicht nach Wunsch verlaufen. Als erster Titelkandidat gehandelt, scheiterte man bereits in der ersten Playoff-Runde gegen Boston. James Harden erzwang einen Wechsel zu Philadelphia, Impfgegner Irving fiel wegen einer Covid-Erkrankung lange aus, Durant stellte die Führungsebene vor ein Ultimatum: Entweder, ich gehe – oder General Manager Sean Marks und Headcoach Steve Nash.

Jacque Vaughn wurde vom Assistenz- zum Cheftrainer befördert – und hat einen turbulenten Grunddurchgang hinter sich
Jacque Vaughn wurde vom Assistenz- zum Cheftrainer befördert – und hat einen turbulenten Grunddurchgang hinter sichAFP

Brooklyn: Eine neue Identität

KD setzte sich im Machtkampf durch, um ein halbes Jahr später zu den Phoenix Suns zu verschwinden. Kyrie sorgte für einen Skandal, weil er einen offen antisemitischen Film bewarb. Nach vorläufiger Suspendierung stärkte man ihm den Rücken, dann – für nahezu alle Beteiligten ohne erkennbaren Grund – erzwang auch er einen Trade. Zusammen mit Markieff Morris zog es ihn nach Dallas, im Gegenzug kamen Dinwiddie und Dorian Finney-Smith. Für Durant und TJ Warren kamen Bridges und Cam Johnson aus Phoenix.

Innerhalb weniger Monate war aus einem Starensemble mit Titelambitionen ein junger, noch ungezähmter Haufen geworden. Coach Jacque Vaughn hatte alle Hände voll zu tun. Er musste seine neuen Spieler schnellstmöglich integrieren. Vaughn wusste, dass das schwierig wird – einen Platz unter den ersten Sechs im Osten zu retten, galt trotzdem als absolute Pflicht.

Am 11. März feierte man einen Overtime-Erfolg über Minnesota. Ein hart umkämpftes Duell, das den Nets vieles abverlangte – und einen Wendepunkt darstellen sollte. Das gesamte Anfangs-Lineup scorte zumindest zweistellig. Mikal Bridges kam auf 34 Zähler, Spencer Dinwiddie auf 29, außerdem 11 Assists. Vor allem Dinwiddie machte ein großartiges Spiel. Er wusste, dass Rudy Gobert vom eigenen Korb ferngehalten werden muss – also zog er das Spiel an sich und lenkte es strategisch klug vorbei am Wolves-Center.

Bridges (li.) erzielte für Brooklyn durchschnittlich 26,1 Punkte
Bridges (li.) erzielte für Brooklyn durchschnittlich 26,1 PunkteAFP

Nach dem Spiel war Jacque Vaughn begeistert: "Es war interessant zu sehen, wie sich diese Gruppe verändert hat. Anfangs wussten wir nicht, wie wir punkten sollen. Wir mussten in der Lage sein, mehrere Leute mit dem Basketball umgehen zu lassen. Wir haben es geschafft, genügend Chancen zu produzieren und zu punkten. Aber wir hatten Probleme in der Defensive. Also mussten wir das Team dazu auffordern, die Herangehensweise zu ändern, nicht mehr daran zu denken, punkten zu müssen. Wir mussten in erster Linie ein defensiv orientiertes Team sein. Ich denke, wir haben gut reagiert. Diese Gruppe fängt an, eine Identität zu bilden."  

Philadelphia: Embiid in Spitzenform

Einen Monat zuvor hatte man bereits die Philadelphia 76ers an den Rand einer Niederlage gebracht. Eine Sekunde stand noch auf der Uhr, Brooklyn lag drei Punkte zurück. Dinwiddie erzielte per Drei-Punkte-Wurf den Ausgleich – vermeintlich, denn die Videokontrolle annullierte den Korb, der Neuzugang aus Dallas ließ das Netz um den Bruchteil einer Sekunde zu spät zappeln. Statt Spencer Dinwiddie hieß der große Held nun Joel Embiid. Wieder einmal.

Der Kameruner war mit 33,1 Punkten pro Spiel der treffsicherste Akteur in der Regular Season. Beim 101:98-Erfolg über die Nets kam er auf 37 Punkte. Manchen Teams, etwa den Bucks und den Raptors, gelang es, seine Wucht unter Kontrolle zu bringen, ihn vom Korb fernzuhalten. Indem man Giannis Antetokounmpo bzw. Jakob Pöltl auf ihn als Kettenhund ansetzte. Die meisten Teams – Brooklyn inkludiert – besitzen dafür aber nicht die richtigen Fähigkeiten. So spielte Embiid die Saison seines Lebens.

Dreimal knackte er 2022/23 die 50-Punkte-Marke. Zuletzt Anfang April gegen die Celtics. Seine Feldwurfquote liegt bei 54,8 Prozent, die Dreierquote bei immerhin 33 Prozent. Was die Rebounds anbelangt, ist er der achtbeste Spieler in der NBA. Eine Körpergröße von 2,13 Metern und ein Körpergewicht von 127 Kilogramm – kombiniert mit einer neuen Sprungtechnik – machen ihn zu einer fast unbezwingbaren Hürde. Talent, Spielverständnis, Physis – Embiid hat das nötige Rüstzeug, um ein MVP zu werden. Vielleicht schon in diesem Jahr.

Harden (li.) und Embiid (re.) harmonieren
Harden (li.) und Embiid (re.) harmonierenProfimedia

Zusammen mit James Harden haben er und Coach Doc Rivers das Isolationsspiel perfektioniert. Gerne werden Embiid und Harden gedoppelt und vom Rest des Teams abgeschirmt. Ein Nachteil? Nicht für Rivers, der aus Not eine Tugend macht. Durch den starken Fokus auf das Starduo entstehen kleine Bruchstellen, enge Gassen in der gegnerischen Defensive. Für den Durchschnittsbürger sind sie unsichtbar und werden erst in der x-ten Zeitlupe wahrgenommen.

Embiid und Harden verfügen hingegen über verdammt viel Übersicht. Ein elegantes Pick and Roll, ein angetäuschter Wurf – reicht oft, um aus einer schier aussichtslosen Lage heraus Punkte zu kreieren. So gelang es, in einen elitären Kreis aufzusteigen. So sicherte man sich den dritten Platz in einer außergewöhnlich starken Eastern Conference.

Zum Match-Center: 76ers vs. Nets

Voraussichtliche Line-ups:

Philadelphia 76ers: James Harden (PG), De'Anthony Melton (SG), Tobias Harris (SF), P.J. Tucker (PF), Joel Embiid (C)

Brooklyn Nets: Spencer Dinwiddie (PG), Mikal Bridges (SG), Cameron Johnson (SF), Dorian Finney-Smith (PF), Nic Claxton (C)

Flashscore-Prognose: Nets verlangen Sixers alles ab

Brooklyn hat sich zum Dark Horse entwickelt. Rückwirkend betrachtet sind einige Fans der Nets vielleicht sogar froh, dass KD und Irving nicht länger Unruhe stiften. Titelkandidat ist man zwar nicht mehr. Durch die gute Arbeit von Jacque Vaughn ist man aber in jedem Fall ein ernst zu nehmender und schwer auszurechnender Gegner.

Der Gesundheitszustand von James Harden (Achillessehne) bereitet den Sixers derweil Sorgen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass er bereits am Samstag vollkommen fit auf dem Court stehen wird. In den Spielen ohne Harden sammelte auch Embiid 1,4 Punkte weniger pro Begegnung.

Allein kann er sich nur selten aus der engen Deckung des Gegners befreien und ist stark von seinem (noch ausbaufähigen) Drei-Punkte-Spiel abhängig. Die Nets werden bis zum Schluss kämpfen und erst im siebten Spiel die Serie aus der Hand geben.