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Was jetzt Hoffnung macht: Der FC Bayern kennt endlich seine Grenzen

Torschütze Kimmich (li.) hilft Kingsley Coman (re.) auf die Beine
Torschütze Kimmich (li.) hilft Kingsley Coman (re.) auf die BeineAFP
"Ich bin sehr zufrieden", sagte Thomas Tuchel über die Leistung des FC Bayern im CL-Rückspiel gegen Manchester City (1:1). Er ist es zu Recht. Dass man sich dem Gegner nicht widerstandslos ergab, sondern gegen City mit Kampfgeist überzeugte, kann ein wertvoller Impuls für einen dringend benötigten Reset sein. Bei den Bayern muss sich etwas verändern, vorwiegend im eigenen Selbstverständnis. Ein Kommentar.

Was bleibt von diesem Spiel? Das Gefühl, doch noch zur Weltspitze zu gehören. Irgendwie zumindest. Manchester City hat nicht den besten Fußball gespielt, ging nie voll ins Risiko. Aber das Chancenplus lag klar beim FC Bayern.

Etwas mehr Konsequenz im Angriffsdrittel, etwas weniger Patzer in der Abwehr wären für das große Wunder notwendig gewesen. Viel hätte hätte Fahrradkette. Doch auch etwas Hoffnung. Eine Ressource, die an der Säbener Straße dringender gebraucht wird, als großspurige Selbstüberhöhung.

Nachdem Erling Haaland in der 38. Minute einen umstrittenen Elfmeter verschossen hatte, keimte gar der naive Gedanke auf, das große Wunder sei realisierbar. Aber Haaland menschelte nur kurzfristig. Und wurde in der 57. Minute wieder zum Außerirdischen, beendete alle Münchener Träume. Auf das 1:0 für die Skyblues folgte eine beiläufige Szene, die einige Hoffnung macht. 

Erling Haaland (re.), der alte Spielverderber
Erling Haaland (re.), der alte SpielverderberAFP

Mancher findet sein Herz nicht eher, als bis er seinen Kopf verliert

Vom wilden, zum Meme gewordenen Oliver Kahn, der wie ein Irrer auf seine Sitzschale einprügelt, ist wenig übrig. Diesmal liefen der Vorstandsvorsitzende und sein Lieblingskollege Hasan Salihamidzic nicht rot an. Sondern starrten resignierend in die Leere. Was sich für den neutralen, aber wohlwollenden Beobachter gut anfühlte.

Nicht, weil man den Bayern alles Schlechte wünscht. Sondern weil endlich, so scheint es, das mächtige Häuflein Kahn-Salihamidzic die präpubertäre Trotzphase hinter sich gelassen hat. Endlich die neue Realität akzeptiert. In welcher Bayern eben nicht das Wunderteam ist, welches auf Knopfdruck alles und jeden überrollen kann. Sondern ein Verein, der Höhen und Tiefen durchlebt.

Kahn muss der Wahrheit ins Auge blicken: die Bayern sind zurzeit kein Weltklasse-Team
Kahn muss der Wahrheit ins Auge blicken: die Bayern sind zurzeit kein Weltklasse-TeamAFP

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für einen neuen Startschuss. Gegen die vielleicht stärkste Mannschaft der Welt hat man sich nicht erneut bis auf die Knochen blamiert. Immerhin. Auch gut: Allmählich scheinen Tuchels Ideen zu fruchten. Die Außenstürmer wurden häufig schön freigespielt, die Doppelsechs Kimmich und Goretzka fand die richtige Balance aus Offensive und Defensive. Sadio Mané klatschte bei seiner Einwechslung Sané nicht ins Gesicht, sondern mit ihm ab. Ein erster Fortschritt.

Ende Mai wird man sich mit höchster Wahrscheinlichkeit den 32. Bundesliga-Titel sichern. Dafür braucht es 22/23 nicht viel. Borussia Dortmund hat am vergangenen Spieltag bewiesen, nicht reif genug für die Meisterschale zu sein. Dann hätte Bayern das Minimalziel erreicht und könnte eine Horrorsaison zu den Akten legen, einen Neuanfang wagen, den Kader (und vielleicht auch Teile der Führungsebene) umstrukturieren.

Ein echter Neuner und ein echter Neuer

Längst durchgesickert ist, dass man nach einem klassischen Mittelstürmer sucht. Neben einem defensiv veranlagten Mittelfeldspieler sollte das tatsächlich oberste Priorität haben. 

Wer kommt infrage? Victor Osimhen und der SSC Napoli müssten für einen Transfer mit Kohle zugeschüttet werden – Osimhens Erinnerungen an Deutschland sind nicht gut, die Premier League ist seine Traumdestination. Jonathan David, Rasmus Höjlund, Randal Kono Muani sind gerüchteweise Thema.

Choupo-Moting wird in der kommenden Saison ein Glied nach hinten rücken
Choupo-Moting wird in der kommenden Saison ein Glied nach hinten rückenAFP

Auch kostengünstigere Namen werden mit dem Rekordmeister in Verbindung gebracht. Thuram wäre ablösefrei zu haben, Füllkrug gegen eine vergleichsweise geringe Summe. Der Griff ins B-Regal wäre aber nach den letzten Erfahrungen nicht angebracht und würde vor allem dem neuen Trainer Tuchel sauer aufstoßen.

Im vergangenen Jahr gab man sich häufig zu knausrig. Ob bei den Vertragsverhandlungen mit David Alaba oder im Wettbieten um Erling Haaland. Wer zur Weltspitze gehören will, in der Akademie aber so großen Aufholbedarf hat wie der FCB, muss im Zweifelsfall bereit sein, auch das Festgeldkonto anzugreifen. Oder das nötige Kleingeld locker zu machen, um es im von Hasan Salihamidzic gerne geliehenen Managerjargon auszudrücken.

Zum Match-Center: Bayern vs. City

Genannter Salihamidzic könnte zum großen Verlierer der andauernden roten Machtkämpfe werden. Er scheint ein echtes Vorankommen des Vereines zu blockieren. Schon in der Vergangenheit versuchte er, sich durch einen Transfer zu profilieren und dadurch an eine Vertragsverlängerung zu gelangen. Obwohl man mit Gnabry, Coman, Musiala und Sané auf dem Flügel bereits überbesetzt war, kam Sadio Mané. Ein prominenter Name, dem riesige Vorschusslorbeeren garantiert waren, der den Markenwert FC Bayern kurzfristig erhöhte – aber noch wenig sportlichen Ertrag brachte. Ein Weiterverkauf wird angestrebt. Gelingt er nicht bzw. liefert Mané weiterhin nicht ab, wäre zudem ein massiver wirtschaftlicher Schaden entstanden.

Salihamidzic' Zukunft hängt auch an Sadio Mané
Salihamidzic' Zukunft hängt auch an Sadio ManéAFP

Dass Brazzos Königstransfer komplett zu floppen droht, dass auch der Trainerwechsel-Poker noch nicht aufgegangen ist, hat die Lobby von Bayerns Sportvorstand kleiner werden lassen. Falls im Sommer noch in der Verantwortung, muss er dann beweisen, kein bloßer Blender, sondern ein höchst kompetenter Kaderplaner zu sein.

Neben dem respektablen Auftritt im Viertelfinal-Rückspiel macht auch ein mögliches Comeback von Manuel Neuer Hoffnung. Seit Nagelsmann weg ist, seit im Boulevard Yann Sommer künstlich kleingemacht wurde, sind die Spekulationen um einen Neuer-Wechsel vorüber. Seine Präsenz und Führungsstärke sind gefragter denn je. Er soll das "Mia san Mia"-Gefühl wieder mit Leben füllen. 

Womöglich nicht die nachhaltigste, aber eine alternativlose Hoffnung. Manuel Neuer (37) und auch Thomas Müller (33) sind nicht die Aktien, auf die man langfristig setzen kann und soll. Zumindest sind sie jedoch ein Bindeglied zwischen einer der erfolgreichsten Epochen der Vereinshistorie – und einer der erfolglosesten. Nämlich der Gegenwart.