Todmüde, aber überglücklich fielen Julian Nagelsmann und seine EM-Helden im Morgengrauen ins Bett. Nach der nächsten schwarz-rot-goldenen Party reiste das DFB-Team mitten in der Nacht ins EM-Quartier in Herzogenaurach. Dort möchten die Nationalspieler zwei Tage mit ihren Familien verbringen.
Die Aussicht auf ein Viertelfinale gegen Spanien sorgte nach dem 2:0-Sieg gegen Dänemark für frische Kräfte. "So ein Spiel mit Widerständen zu gewinnen, als Favorit, das macht mich stolz", sagte Julian Nagelsmann nach dem hochverdienten Erfolg im Achtelfinale. Mit Blick auf ein mögliches Duell gegen Spanien erklärte der Bundestrainer: "Ich hoffe, dass wir die alte Festplatte gelöscht kriegen und verstehen, wie gut wir sind."
Endstation noch nicht erreicht
Auf der alten Festplatte sind drei herbe Turnier-Enttäuschungen abgespeichert. Nach dem hart erkämpften Triumph gegen Dänemark steht die deutsche Männer-Nationalmannschaft zum ersten Mal seit der Fußball-Europameisterschaft 2016 im Viertelfinale eines großen Turniers. Doch als Endstation soll die Runde der letzten Acht nicht dienen.
"Diese Mannschaft", betonte Abwehrchef Antonio Rüdiger, "zeigt einen guten Charakter, sie kann immer wieder zurückkommen, immer wieder Gas geben. Wir haben noch drei Endspiele."
Das erste findet am Freitag gegen den EM-Favoriten Spanien oder Außenseiter Georgien statt. "Es wird nicht einfach für Spanien, aber auch nicht einfach für Georgien", prognostizierte Nagelsmann.
Letzte Fehler
Dem Bundestrainer ist es seit seinem Amtsantritt im Oktober gelungen, eine Einheit zu formen, die mit Leidenschaft die Herzen der jahrelang enttäuschten Fans zurückerobert hat. "Jeder kämpft für den anderen", sagte Rüdiger.
Das Spiel der DFB-Auswahl ist nicht frei von Fehlern, gegen die unbequemen Dänen wurde nur dank Torhüter Manuel Neuer, bedingungsloser Leidenschaft und VAR-Glück ein Gegentor verhindert. "Wir haben noch immer kleine Phasen im Spiel, in denen nicht alles klappt - und gleich rattert es in den Köpfen. Das ist gar nicht notwendig", sagte Nagelsmann.
Doch es gibt auch Phasen, in denen es richtig gut läuft. Die Dänen wurden 20 Minuten an die Wand gespielt. Ein früher Führungstreffer lag mehrfach in der Luft. Die Erlösung erfolgte erst in der zweiten Halbzeit durch Kai Havertz (53./Handelfmeter) und Jamal Musiala (68.), der sein drittes Turnier-Tor erzielte.
Zum Match-Center: Deutschland vs. Dänemark
Wichtige Rolle für Ersatzspieler
"Aus dem Wasser und vom VAR gerettet. Nichts scheint die deutsche Party bei der Heim-EM verderben zu können", titelte die L'Equipe. "Deutschland zeigt eine Machtdemonstration in einem energiegeladenen und spannenden Spiel und erreicht das Viertelfinale, wo sie mit einer ernsten Warnung auf Spanien warten", schrieb Mundo Deportivo.
Auch dort wird es nur über die mannschaftliche Geschlossenheit gehen. "Es ist ein Schlüssel, dass es jetzt vielleicht besser läuft als zuvor. Es gibt viele Spieler, die nicht so viele Minuten sammeln. Aber sie halten zusammen", sagte Nagelsmann: "Das hat mit Selbstlosigkeit zu tun, dass sie sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Der Gesamterfolg steht im Vordergrund. Da kann man nur den Hut ziehen."
Bis auf Robin Koch sind alle Feldspieler bereits zum Einsatz gekommen. Nagelsmann verteilt kleine Belohnungen, wenn sie möglich sind. Doch mit Blick auf das nächste K.o.-Duell mahnte er auch Verbesserungen an. "Im Ballbesitz", sagte der 36-Jährige, müsse man "geduldiger bleiben". Man müsse sich "für alle Phasen mehr Zeit geben". Dann sei man "extrem schwer zu bespielen".