12 Sekunden: Fahnenträgerin Wagner verpasst im letzten Moment Olympia-Bronze
Gold stand im Fokus
Anna-Maria Wagner lag geschlagen auf dem Rücken, dann rappelte sich die Judo-Weltmeisterin auf und schlich tief enttäuscht von der Matte - dem Hochgefühl als Fahnenträgerin war der Stimmungskiller im Wettkampf gefolgt. Die mit Goldambitionen gestartete Mitfavoritin hat bei den Olympischen Spielen in Paris einen sportlichen Rückschlag erlebt und die angepeilte Medaille verpasst.
"Mein Ziel war Gold", sagte Deutschlands Fahnenträgerin schluchzend am ZDF-Mikrofon, am Ende stand "der beschissenste Platz" mit Rang fünf.
"Der Schmerz sitzt sehr tief, die Kämpfe werden mich beschäftigen", räumte Wagner ein, deren Hochgefühl als Fahnenträgerin bei der Eröffnungsfeier einer riesigen Enttäuschung gewichen war. Vor drei Jahren hatte sie in Tokio Bronze im Einzel und mit der Mannschaft gewonnen, zumindest die Chance im Teamwettbewerb am Samstag will sie aber ergreifen: "Ich werde auf jeden Fall ab morgen Abend für das Team bereit sein. Wir haben eine Chance, sind ein starkes Team."
Sechs Tage nach ihrem Auftritt im Rampenlicht bei der Eröffnungsfeier auf der Seine ging die 28-Jährige nach Niederlagen im Halbfinale sowie im Bronze-Match leer aus. Vor drei Jahren hatte Wagner in Tokio Bronze im Einzel und mit der Mannschaft gewonnen.
Am Donnerstag verlor sie ihren Kampf um Bronze gegen die frühere Vize-Weltmeisterin Ma Zhenzhao aus China im Halbschwergewicht (bis 78 kg) per Ippon im Golden Score. Das Gold-Finale und die Chance, sich zur ersten deutschen Judo-Olympiasiegerin seit 20 Jahren küren, hatte sie durch die Halbfinalniederlage gegen Inbar Lanir aus Israel verfehlt.
Der Deutsche Judo-Bund (DJB) hoffte vergeblich auf die zweite Medaille innerhalb von 24 Stunden. Am Mittwoch hatte Miriam Butkereit (Halle) Silber in der Gewichtsklasse bis 70 kg geholt. Das, hatte DJB-Leistungssportvorstand Hartmut Paulat gesagt, habe "Druck aus der Mannschaft genommen, auch für Anna-Maria Wagner."
Wagner dominierte auf dem Weg in Finale
Auf dem Weg ins Halbfinale hatte Wagner in der Champs-de-Mars Arena die für Guinea startende Leipzigerin Marie Branser und die japanische Asienmeisterin Rika Takayama bezwungen. Wagner kämpfte dominant, hatte ihre Rivalinnen im Griff.
Die Anspannung vor dem Halbfinale war Wagner dann anzusehen. Sie pushte sich mit Worten, schlug sich mit der flachen Hand ins Gesicht und schritt energisch auf die Matte. Dort hatte Wagner gegen die dynamische Lanir Mühe, handelte sich früh zwei Strafen ein und ließ dann den Ippon zu.
Den Kampf um Bronze gegen Ma, die WM-Zweite von 2022, ging Wagner mit einer klaren Zielsetzung an. "Das ist meine Medaille", sagte sie sich. Am Ende reichte es nicht.
Wichtigsten Kampf jedoch gewonnen
Wagners wichtigsten Erfolg kann ihr jedoch niemand mehr nehmen. Nach Tokio-Bronze im Einzel und mit der Mannschaft war sie in ein tiefes Loch gefallen. Wettkämpfe, Siege, Medaillen - egal. Motivation und Antrieb fehlten, auch in anderen Lebensbereichen. Gedanken an ein Karriereende kreisten. "Ich hatte die Freude am Judo verloren, konnte mich nicht mehr so für den Sport motivieren", hatte sie vor dem Paris-Start gesagt.
Wagner kämpfte gegen die eigenen Dämonen, die sie in den dunkelsten Stunden kaum aus dem Bett aufstehen ließen. Sie suchte Hilfe bei einem Sportpsychologen, schrieb sich die Schatten von der Seele, auch öffentlich - und kam gestärkt aus dem Tal. Bronze als Lohn blieb ihr verwehrt.