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Kroatien vs. Argentinien: Ein Duell zweier ungekrönter Könige

Aktualisiert
Kroatien vs. Argentinien: Ein Duell zweier ungekrönter Könige
Kroatien vs. Argentinien: Ein Duell zweier ungekrönter KönigeAFP
Am Dienstag (20 Uhr, live auf ARD, Magenta Sport und im kostenlosen Flashscore-Audiostream) absolvieren die Nationalmannschaften Kroatiens und Argentiniens das erste Halbfinale der WM 2022. Auf den Schultern von Luka Modrić und Lionel Messi lastet großes Gewicht. Die Kapitäne überzeugen mit viel gestalterischer Qualität, beiden blieb der WM-Titel bislang aber verwehrt – in Katar kämpfen sie um die Hoffnung, ihre Karriere zu krönen.

Nur vier Millionen Einwohner und schon wieder im Halbfinale: Nach 1998 und 2018 gelang Kroatien letzten Freitag erneut der Sprung unter die besten vier Mannschaften. Die Infrastruktur in der Heimat kämpft unverändert mit den Nachwehen des Jugoslawien-Krieges. Trotzdem produziert das kleine Land von der istrischen Küste genügend Topstars, um auch Spitzenteams wie Brasilien spüren zu lassen, was mit viel Kampf- und Teamgeist möglich ist. Als die Seleção bereits glaubte, Superstar Neymar hätte das entscheidende Tor erzielt, gab sich Kroatien mit Leader Luka Modrić (37) längst nicht geschlagen.

Bruno Petković profitierte in der 117. Minute von einem einwandfrei ausgeführten Spielzug und erzielte den 1:1-Ausgleich. Im Elfmeterschießen behielt nicht nur Kapitän Modrić die Nerven. Dominik Livaković (dem FC Bayern wird Interesse am kroatischen Torhüter nachgesagt) parierte gegen Jungspund Rodrygo den ersten brasilianischen Elfer. Das gab seinen Teamkollegen die nötige Sicherheit, um sämtliche Strafstöße relativ stressfrei zu verwerten – und zum dritten Mal das Unmögliche möglich zu machen.

Dominik Livaković (grünes Trikot, Mitte) wurde gegen Brasilien zum Nationalhelden
Dominik Livaković (grünes Trikot, Mitte) wurde gegen Brasilien zum NationalheldenAFP

Ex-Nationaltrainer Slaven Bilić versuchte in seiner Kolumne für "The Athletic", die sensationellen Erfolge mit dem engen Zusammenhalt der Mannschaft zu erklären: "Weil wir eine kleine Nation sind, kennen sich viele Nationalspieler, seit sie zehn oder elf Jahre alt sind. Die meisten wurden bei Dinamo Zagreb oder Hajduk Split ausgebildet – sie kennen sich also (...). Manchmal ist das in großen Ländern mit großen Ligen und großen Vereinen anders. Man ist dort nicht so freundlich. Ich kann mich an Gespräche mit englischen Nationalspielern erinnern. Die meinten, wenn das ganze Team zum Essen zusammenkommt, gibt es einen Chelsea-Tisch, einen Manchester United-Tisch, einen Liverpool-Tisch. In Kroatien ist das nicht so."

Der Verdacht ist nicht unbegründet. 16 Spieler im Kader haben Dinamo-Vergangenheit oder stehen im aktuellen Aufgebot des kroatischen Serienmeisters. Immerhin sechs Profis haben Verbindungen zu Hajduk Split. Der bullige Ersatzstürmer Livaja – heute die personifizierte Torgefahr beim Team aus Dalmatien – spielte in seiner Jugend kurzzeitig für den großen nationalen Konkurrenten Dinamo Zagreb. Im Nationalteam ist von Rivalität wenig zu spüren. Fraktionsbildung ist den Vatreni ein Fremdwort.

Trainer Zlatko Dalić – als Spieler viele Jahre für Hajduk aktiv – hob sich seine große Lobeshymne nach dem erfolgreichen Viertelfinale gegen Brasilien für einen ehemaligen Akteur von Dinamo auf: "Er war 120 Minuten in großartiger Form. Er war unser Kopf. Er ist immer noch einer der besten Spieler der Welt. Er wird nie müde, er wollte nicht hinausgehen. Trotz Verlängerung. Das ist unglaublich, Luka ist ein Wunder."

Lionel Scaloni hat großen Respekt vor Luka Modric.
Lionel Scaloni hat großen Respekt vor Luka Modric.AFP/StatsPerform

Klar, von wem die Rede ist: Der niemals satte, immer erfolgshungrige, aber doch so ruhige Kapitän Luka Modrić ist das Herzstück Kroatiens. Eben das, was Lionel Messi (35) für Argentinien ist. Die Nummer zehn, der Spielgestalter, das Um und Auf. Beide Spielführer verfolgen mittlerweile auf dem Platz eine ähnliche Herangehensweise. Messi verlor altersbedingt an Tempo. Schon lange konnte er nicht mehr – wie es das Publikum gewohnt war – Abwehrreihen mit Spitzengeschwindigkeit durchbrechen. Immer häufiger bleibt La Pulga mit seinen engmaschigen Dribblings im Defensivblock des Gegners hängen.

Also erfand sich Messi neu und perfektionierte sein Passspiel. Seine Vorlagenquote ist herausragend, im Verein wie im Nationalteam. Bei PSG assistierte er zehnmal in 13 Ligaeinsätzen, gegen Oranje gab er den vielleicht schönsten Assist in der WM-Geschichte. Louis van Gaal weiß nach dem nervenaufreibenden Duell im Viertelfinale ebenso gut wie Torschütze Nahuel Molina, was die Spielweise Messis heutzutage auszeichnet.

Des einen Freud, des anderen Leid: Argentinien zitterte sich ins Semifinale
Des einen Freud, des anderen Leid: Argentinien zitterte sich ins SemifinaleAFP

Die völlig überraschende Niederlage zum Turnierauftakt gegen Saudi-Arabien erwies sich nicht als Anfang des Untergangs – sondern als notwendiger Weckruf zum richtigen Zeitpunkt. Vor der WM hatte Argentinien 36 Länderspiele in Folge nicht verloren. Manchem Fan schien bereits garantiert, dass Messi seine Karriere 2022 mit dem großen Titel krönt.

Doch die Albiceleste bekam ordentlich auf den Deckel – und musste auch gegen die Elftal lange um den Aufstieg zittern. Messi ordnete diese Leidensphase als notwendig ein: "Wir haben mehr gelitten, als uns das lieb war. Aber das ist so bei einer WM. Wir wussten schon vorab, dass diese Phasen kommen werden." 

Am Dienstagabend um 20 Uhr will weder Argentinien noch Kroatien zum letzten Mal im Lusail Iconic Stadium gespielt haben. Denn das mehr als 80.000 Zuseher fassende Stadion – welches voraussichtlich fest in argentinischer Hand sein wird – dient auch als Austragungsort für das große Finale am kommenden Sonntag. Und, wenn die Träume denn wahr werden, ebenso als Krönungszeremonie eines Königs des Fußballs: Luka Modrić und Lionel Messi kämpfen am Dienstag nicht bloß um den Ball, sondern auch um die Vollendung eines Lebenswerks. 

Zlatko Dalic möchte Kroatien ins Finale führen.
Zlatko Dalic möchte Kroatien ins Finale führen.AFP/StatsPerform

Das Personal: Kroatien

Voraussichtlich kann Zlatko Dalić auf seinen kompletten Kader zurückgreifen – der Traum jedes Trainers. Dass gegen Brasilien vorzugsweise die Joker wie Petković oder Nikola Vlašić gestochen haben, stellt den seit 2017 im Amt tätigen Coach aber vor einige offene Fragen. Es ist wahrscheinlich, dass sich Vlašić nach dem schwachen Auftaktspiel gegen Marokko wieder in der WM-Startelf beweisen darf. Das Prunkstück bleibt natürlich beisammen: Im Mittelfeld dirigiert Modrić zusammen mit Mateo Kovačić und Marcelo Brozović das Geschehen.

Voraussichtliche Aufstellung von Kroatien:

Livaković - Juranović, Lovren, Gvardiol, Sosa - Modrić, Brozović, Kovačić - Vlašić, Kramarić, Perišić

Das Personal: Argentinien

Juve-Star Ángel di María (34) sollte für das Halbfinale wieder fit sein. Somit muss Trainer Scaloni nur auf die gelb gesperrten Außenverteidiger Marcos Acuña bzw. Gonzalo Montiel (beide beim FC Sevilla unter Vertrag) verzichten. Der Ausfall von Linksverteidiger Acuña wiegt in dieser Hinsicht schwerer als jener seines Pendants auf der rechten Seite. Montiel gehörte bislang nicht zum Stammpersonal, etatmäßig übernahm Molina den Job. Youngster Julián Álvarez (22) dürfte an vorderster Front gesetzt sein. Fraglich ist noch, ob Lionel Scaloni nach dem Dreierketten-Experiment gegen die Niederlande wieder zur Viererkette zurückkehrt.

Voraussichtliche Aufstellung von Argentinien:

E. Martínez - Molina, Romero, Otamendi, Tagliafico - Fernández, De Paul, Mac Allister - Messi, Álvarez, Di María