Neue Ära, viel Arbeit: Popps Vermächtnis und Wücks Baustellen
Alexandra Popp war "unheimlich dankbar" und von all den Abschiedspräsenten überwältigt. Nach Blumen, Bildern, Trikots und Fanplakaten gab es zum krönenden Abschluss noch einen Geschenkkorb von ihren Teamkolleginnen. Bis in die Nacht hinein kosteten Popp und Co. nach dem Dinner im Düsseldorfer Lindner-Hotel die letzten gemeinsamen Stunden aus, dann trennten sich morgens die Wege. Und eine neue Ära begann.
"Viel Spaß mit dem Haufen", wünschte die langjährige Spielführerin Popp ihrer potenziellen Nachfolgerin Giulia Gwinn schon bei der Übergabe der Kapitänsbinde, als beim 1:2 (1:1) gegen Australien in der 15. Spielminute ihre 145. und letzte Schicht im DFB-Trikot tränenreich endete. Ihre nach Abpfiff folgenden Botschaften aber waren ernster.
Denn jede ihrer Erbinnen im Nationalteam, mahnte Popp, trage die Verantwortung, "Dinge verändern zu wollen - wir sind noch nicht am Ende der Entwicklung des Frauenfußballs." Als Sprachrohr hatte die populärste deutsche Fußballerin in den letzten ihrer über 14 Jahre im Nationalteam auch neben dem Platz die Rolle als Vorkämpferin inne.
Match-Center: Deutschland vs. Australien
Bundestrainer Wück unzufrieden
"Jetzt sind sie dran", sagte Popp, "auch mal ein bisschen Druck auszuüben". Vor allem auf Vereinsebene gebe es noch immens viel zu verbessern, bei der Infrastruktur oder der Professionalisierung in der Bundesliga. Was Popp wichtig ist: "Ich würde mir wünschen, dass sich die Spielerinnen durch die Bank weg zu 100 Prozent auf den Fußball konzentrieren können."
Denn auch sportlich sind in der Post-Popp-Ära Fortschritte nötig, das bewies der teils zerfahrene und fehlerbehaftete Auftritt in Duisburg. "Wir haben gemerkt, dass wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben", bilanzierte Bundestrainer Christian Wück nach der "ärgerlichen" Niederlage. Immerhin: "Wichtige Erkenntnisse" nahm sein Trainerstab wie schon beim 4:3-Spektakel in Wembley mit.
Seinem verjüngten und von Verletzungen gebeutelten Kader fehlt rund acht Monate vor der EM in der Schweiz (2. bis 27. Juli) die schon länger vermisste Konstanz. Gerade in der gerupften Defensive probierte Wück notgedrungen viel. Hier hinterlässt die ebenfalls vor 26.623 Fans verabschiedete Marina Hegering eine nicht ad-hoc zu füllende Lücke.
Denn es mangelt seit Jahren an hochkarätigen Talenten für die Innenverteidigung. Also mussten nun Außenverteidigerin Sarai Linder und Mittelfeldspielerin Janina Minge in der Abwehrzentrale aushelfen. Die Baustelle dürfte Wück noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.
"Poppi ist die einzig wahre Legende"
In der Offensive deuteten Selina Cerci als Torschützin gegen Australien (4.) und Giovanna Hoffmann ihr Potenzial als Popp-Nachfolgerinnen im Sturm an. In den verbleibenden Testspielen in der Schweiz (29. November) und gegen Italien in Bochum (2. Dezember) sollen laut Wück weitere Experimente folgen, um mit einem Pool von "30 bis 40 Spielerinnen" ins EM-Jahr zu gehen, das ab Februar mit der Nations League beginnt.
Wück hat mit der nächsten Generation also alle Hände voll zu tun. Der sogenannte "Haufen" lässt "Poppi" als "Mentalitätsmonster" entsprechend ungern ziehen. "Sie weiß, dass sie immer willkommen ist im Kreise der Nationalmannschaft", erklärte Gwinn. Die großen Fußstapfen, meinte Lina Magull, seien ja ohnehin "gar nicht" auszufüllen: "Poppi ist die einzig wahre Legende, so wie sie ist."