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"Desinfizieren" nach "zwei Stunden Zugseil": Leonie Becks Kampf gegen die Seine

Flashscore/SID
Leonie Beck ist mit dem olympischen Freiwasserschwimmen in der Seine nicht warm geworden.
Leonie Beck ist mit dem olympischen Freiwasserschwimmen in der Seine nicht warm geworden.AFP
Als Leonie Beck aus der braunen Brühe der Seine gestiegen war, griff sie sofort nach einer Flasche Cola. "Zum Desinfizieren", sagte die Doppel-Europameisterin, die als Mitfavoriten beim umstrittenen Freiwasserrennen eine Olympiamedaille deutlich verpasst hatte. "Ich hoffe, dass wir nichts davontragen. Das wäre dann noch das Highlight. Ich denke, ich werde noch ein paar Liter davon trinken."

In der Zuckerbrause versuchte die 27-Jährige auch ihren Frust zu ertränken. Denn was sie in den zwei Stunden im verdreckten Stadtfluss von Paris erlebt hatte, ärgerte sie gewaltig: "Für mich war es eine andere Sportart, für mich hat es mit einem durchschnittlichen Freiwasserrennen nichts zu tun."

Vor allem der Kampf gegen die starke Strömung, 700 Meter lang in jeder der sechs Runden, hatte sie entnervt. "Es war zwei Stunden Zugseil, zwei Stunden Krafttraining", klagte Beck, die die Freiwasserszene in den letzten beiden Jahren mit je dreimal Gold bei Welt- und Europameisterschaften sowie dem Weltcupgesamtsieg dominiert hatte, im wichtigsten Rennen ihrer Karriere aber mit mehr als zweieinhalb Minuten Rückstand nur auf Rang neun kam. "Ich bin ein Lachs, ich habe null Muskeln", betonte sie.

Mit den extremen Bedingungen bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 0,8 Metern pro Sekunde kam Beck deshalb überhaupt nicht klar. Flussabwärts brauchten die Schwimmerinnen nur sechs Minuten, "bergauf" aber mehr als doppelt so lange. "Wenn vielleicht doch mal die Athleten nach vorne gestellt werden, sollte man verstehen, dass das nicht das optimale Rennen ist", sagte sie, "es gibt ja auch sonst kein Rennen im Fluss."

Vor allem wegen der schönen TV-Bilder vor imposanter Kulisse mit der Pont Alexandre III, dem Eiffelturm und dem Invalidendom hatten sich die Veranstalter entschlossen, allen Bedenken um Bakterienbelastung und starker Strömung zum Trotz die Freiwasserrennen in diesem völlig ungewohnten Setting durchzuziehen.

Trainer Berkhahn widerspricht

Bundestrainer Bernd Berkhahn, selbst ein Kritiker der Veranstaltung, widersprach Beck allerdings. "Wenn man das physikalisch betrachtet, ist der Kraftaufwand auf dieser Strecke nicht größer als auf jeder anderen Strecke", sagte der Heimcoach der Magdeburger Olympiasieger Florian Wellbrock und Lukas Märtens: "Man muss nicht mehr Kraft aufwenden, man ist einfach nur langsamer. Damit muss man sich mental abfinden. Das ist ein Problem, wenn man das nicht so realisiert." Bei Beck, die in Italien lebt und trainiert, sah er in den entscheidenden Phasen des Rennens taktische Fehler.

Seine eigenen Schützlinge machten es besser: Die niederländische Rio-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Sharon van Rouwendaal und die australische WM-Vierte Moesha Johnson, die in Magdeburg trainieren, holten sich Gold und Silber. Am Freitag (7.30 Uhr) versucht Wellbrock mit seinem Trainingskollegen Oliver Klemet, im Männerrennen diesen Erfolg zu wiederholen.

Noch mehr mit der Seine zu kämpfen als Beck hatte Leonie Märtens. Die Olympiadebütantin, die mit über zwölf Minuten Rückstand 22. wurde, gab zu, "sehr, sehr viel" Wasser geschluckt zu haben, "mir war auch zwischendurch ordentlich schlecht. Ich habe immer wieder mein Frühstück gespürt, das hochkam."