Abschied im "Bollhaus": Deutsche Tischtennis-Ära endet ohne Paris-Medaille
Timo Boll holte noch einmal alles aus seinem 43 Jahren alten Körper heraus, kämpfte wie ein junger Löwe, auf der Tribüne drückte sein Kumpel Dirk Nowitzki fieberhaft die Daumen - vergeblich: Die große internationale Karriere des besten deutschen Tischtennisspielers der Geschichte hat bei Olympia in Paris geendet. Im Viertelfinale des Teamwettbewerbs waren die Schweden zu stark. Boll verabschiedete sich ohne fünfte Olympia-Medaille, aber hoch erhobenen Hauptes von der großen Bühne.
Match-Center: Schweden vs. Deutschland
Mit 0:3 unterlagen Rekordeuropameister Boll, der frühere Weltranglistenerste Dimitrij Ovtcharov und Europameister Dang Qiu den Skandinaviern um den Einzelzweiten Truls Möregardh. Und damit riss mit Bolls Abschied auch eine Serie.
Schweden eine Spur zu stark
Jedesmal seit der olympischen Team-Premiere 2008 in Peking hatten die deutschen Männer eine Medaille geholt, zweimal Silber (2008, 2021), zweimal Bronze (2012, 2016) - immer waren Boll und Ovtcharov dabei. 27 Jahre nach dem erstem Länderspiel des ewigen Boll endete damit eine Ära - auch wenn Boll in der Saison 2024/25 letztmals für seinen Klub Borussia Düsseldorf spielen wird.
Gegen das starke Doppel der Schweden mit Ex-Weltmeister Kristian Karlsson und Anton Källberg, ein ehemaliger und ein aktueller Teamkollege Bolls bei Borussia Düsseldorf, unterlagen Boll/Qiu trotz phasenweise guter Leistung 0:3 (10:12, 8:11, 8:11). Knackpunkt war die Niederlage Ovtcharovs, der im ersten und mitunter spektakulären Einzel gegen einstigen Neu-Ulmer Mitspieler Möregardh 2:3 (9:11, 11:8, 11:7, 8:11, 8:11) verlor - nach 6:2-Führung im Entscheidungssatz. Mit Bolls 1:3 (7:11, 9:11, 11:7, 8:11) gegen Källberg kam dann frühzeitig das Ende des Spiels - und einer Ära.
Es war nochmal ein höchst würdiger Auftritt Bolls, der schon beim Auftaktmatch gegen Kanada die "tolle Atmosphäre" in der Arena Paris Sud 4 gelobt und genossen hatte. Da hatten aber noch die Franzosen mit den allgegenwärtigen Lebrun-Brüdern am Nachbartisch gespielt, Bolls Auftritt war nur Rahmenprogramm. Diesmal waren Boll und Co. der Headliner, es war phasenweise noch einmal ein echtes "Bollhaus" - die Deutschen nahmen das von Beginn an auf, auch wenn ihnen die Schwere der Aufgabe durchaus bewusst war.
Er wolle "nicht zu viel darüber nachdenken", dass es das Ende seiner internationalen Laufbahn sein könne, hatte Boll gesagt. Diese Laufbahn hatte 1997 mit seinem Länderspiel-Debüt gegen Polen begonnen, damals spielte er noch Doppel mit 1989er-Weltmeister Steffen Fetzner. 20 EM-Titel und 42 Medaillen bei internationalen Meisterschaften später ist nach Paris Schluss. "Es fühlt sich richtig an", sagte Boll.
Dass sich Basketball-Ikone Nowitzki, am Vorabend schon goldener Glücksbringer der deutschen 3x3-Frauen, Bolls Auftritt nicht entgehen lassen wollte, entsprang einer jahrelangen Freundschaft. Boll hatte Nowitzki mehrmals in den USA besucht, auch in dessen letzter Saison für die Dallas Mavericks mit fast 41 Jahren, Nowitzki war bei Bolls Borussia zu Gast. Nach Paris wollen beide mit ihren Familien in Kenia auf Safari gehen - sie können jetzt planen.